Glockengeburt: Ein Spiel mit dem Feuer

Neuer Klang für die Perver-Kirche / Simon Laudy und Helfer gießen eine Georgsglocke im Kirchgarten.

Die Blicke aller Zuschauer sind am Sonntagnachmittag auf Simon Laudy und die gerade „geborene“ Georgsglocke gerichtet. Gießer Simon Laudy schlägt den Klangkörper leicht an. Der erste Ton erklingt. Der Glockenguss im Kirchgarten der Perver-Kirche hat geklappt.
 

 Ein Raunen ging schon am Sonnabend gegen 21 Uhr durch die Reihen der hunderten Zuschauer im Kirchgarten von St. Georg. In diesem Moment brachen die Helfer um den niederländischen Glockengießer Simon Laudy den Gussofen auf. Glühend heiße Schmiedekohlen verteilten sich auf dem Boden. Dann war äußerste Ruhe angesagt, als die rund 1000 Grad heiße Bronzemasse aus dem Tiegel in die Glockenform gefüllt wurde. Simon Laudy musste genau hinhören, ob sich die Bronze richtig in der Form verteilte. Dann brandete Applaus auf. Die Form war bis oben hin gefüllt. Nun galt es abzuwarten.

Zuvor stand ein arbeitsreicher Sonnabend vor den Handwerkern aus Finsterwolde in den Niederlanden, aber auch vor den zahlreichen Helfern des Perver-Fördervereins St. Georg. Sie machten aus dem Glockenguss im Kirchgarten ein lehrreiches Fest für die ganze Familie.

Mehrere Jahre hatten der Vereinsvorsitzende Roland Lahmann und die Kirchengemeinde das Ereignis vorbereitet. Und sie sollten für ihre Bemühungen belohnt werden. Hunderte Besucher strömten schon am Nachmittag auf das Gelände, ließen sich am Lagerfeuer der Pfadfinder nieder, genossen frisches Salzwedeler Bier der Bierbrauer aus der Kulturnische oder ein Stück Lachs vom Lionsclub. Auch die Fleischspezialitäten aus dem Ofen des Fördervereins gingen in großen Mengen über die Theke. Von kleinen Schneeregenschauern ließ sich das Publikum nicht abhalten.

Immer wieder zog es Klein und Groß am Abend an den Schmelzofen der Glockengießer. Am späten Nachmittag hatten Pfarrer Joachim Thurn und Dr. Gerhard Ruff die Schmiedekohle darin entzündet. Rund 400 Kilogramm Glockenbronze, mit einem Zinnanteil von etwa 20 Prozent, wurden in einem Tiegel auf bis zu 1100 Grad erhitzt. Kurz vor dem Guss prüfte Simon Laudy immer wieder die Konsistenz des flüssigen Metalls. Eine schweißtreibende Angelegenheit. Immer wieder wurden Kohlen in den lose aus Schamottsteinen gemauerten Ofen nachgelegt. An zwei Enden kurbelten seine Mitarbeiter durchgehend, um die glühenden Kohlen mit Luft zu versorgen. Das Feuer brannte immer heißer, wie die Farbe der Flamme aus dem Schornstein anzeigte.

Dann war der Moment des Gusses gekommen. Kurz zuvor sprach Pfarrer Joachim Thurn noch einen Segen und das Vaterunser mit allen Anwesenden. Dann floss die glühende Bronze in die Form. Danach hatten die Handwerker vorerst Feierabend. Mit einer Runde Schnaps wurde auf das Gelingen des Gusses angestoßen.

Mit einem Gottesdienst in der St. Georg-Kirche begann der zweite Tag des Glockenfestes. Kühle Temperaturen und Regen hielt der Tag der sogenannten Glockengeburt bereit. Doch das sollte kein schlechtes Omen sein. Gegen 14 Uhr, Simon Laudy und seine Helfer hatten gerade noch die Reste des Schmelzofens beseitigt, begannen die Handwerker, die Glocke aus ihrer Form zu schälen. Auch ein abgebrochener Hammer sorgte für keine Verschnaufpause. Ein Perveraner half schnell mit einem Ersatzwerkzeug aus.

Mehr und mehr war der neue Klangkörper zu erkennen. Dann die spannende Situation: Trifft die Glocke den richtigen Ton. Dazu läutete zum Vergleich das aktuelle Geläut der St. Georg-Kirche. Simon Laudy schwang einen Hammer und betonte dann: „Sie ist wunderschön geworden. Der Ton h1 stimmt.“ Der Applaus der Zuschauer war ihm und seinem Team sicher.

Von David Schröder,  Volksstimme Salzwedel, 15. April  2019